Von Mohammad Yousuf
Dr. Mohammad Aslam Parvaiz ist ein bekannter indischer Gelehrter mit Fachkenntnissen zum Thema Islam und Wissenschaft. Er veröffentlichte kürzlich ein Buch mit dem englischen Titel “The Scientific Muslim: Understanding Islam in a New Light” (Der wissenschaftliche Muslim: Islam in einem neuen Licht verstehen). Da es zum Thema Wissenschaft und Islam heute leider immer noch viele negative Wahrnehmungen, Missverständnisse und Stereotypen gibt, betont Dr. Parvaiz in diesem Buch, dass der Koran in der Tat einen immensen Schwerpunkt auf wissenschaftliche Erkenntnisse legt.
Zu seiner akademischen Laufbahn sei gesagt, dass Dr. Parvaiz im Fach Pflanzenphysiologie an der Aligarh Muslim Universität promovierte. Heute ist er Leiter der Islamischen Stiftung für Wissenschaft und Umwelt in New Delhi. Er ist ferner als Wissenschaftskommunikator tätig und hat fünf Bücher und mehr als 350 populärwissenschaftliche Aufzeichnungen verfasst. Er ist ehemaliger Vizekanzler der Maulana Azad National Urdu Universität im indischen Hyderabad und hat kürzlich ein Koranzentrum in Neu-Delhi gegründet.
Eins der großen Probleme, dem Dr. Parvaiz besondere Aufmerksamkeit beimisst, ist der allgemeine Mangel an wissenschaftlicher Neigung unter Muslimen der heutigen Zeit. Ihm zufolge verdienen die Fragen, ob dieser Mangel schon immer bestanden habe und ob gar die islamische Lehre an diesem Dilemma Schuld habe, eine eingehende Analyse. Aber, so fährt er fort, wenn es wirklich die islamische Lehre wäre, die dem muslimischen Geist keine wissenschaftliche Neigung verleihe, wie können wir dann die wissenschaftlichen und technologischen Durchbrüche muslimischer Wissenschaftler zwischen dem siebten und zwölften Jahrhundert erklären? Jene Arbeiten legten zudem noch die Grundlagen der zeitgenössischen Wissenschaft.
Er betont durch diese rhetorische Frage seine Stellung, die er mit Zitaten berühmter Wissenschaftshistoriker untermauert. George Sarton habe zum Beispiel in seinem Buch „The History of Science“ bedenkenlos zugestimmt, dass, der Zeitraum vom siebten bis zwölften Jahrhundert von Namen muslimischer Wissenschaftler überschwemmt war. Würden wir diesen Zeitraum in 50-jährige Zeitspannen unterteilen, könnten wir jeder dieser Zeitspannen einen bedeutenden Gelehrten zuschreiben.[1] Der Sozialanthropologe Robert Briffault sei sogar so weit gegangen zu sagen: “Vor dem Aufkommen des Islam gab es kaum eine Wissenschaft.“[2]
Ferner weist Dr. Parvaiz darauf hin, dass es Muslime waren, die dem Fach Medizin den Status einer Wissenschaft verliehen haben, sie würdigten und förderten. Er schreibt: “Medizin war vor dem Islam mehr Magie als Medizin.”[3] Einer der größten Schritte war die Einführung von Experimenten durch muslimische Gelehrte.
In „The Scientific Muslim: Understanding Islam in a New Light“ unterstreicht Dr. Pervaiz, dass der Durst nach Wissen unter den Muslimen vom Heiligen Koran und der Prophet Allahs entfacht wurde. Die geschichtlich belegten Bemühungen der ergebenen Gefährten des Propheten Mohammad und der leidenschaftlichen Anhänger des Korans seien ein klarer und eindeutiger Beweis dafür.
In der Zeit zwischen dem siebten und dem vierzehnten Jahrhundert war ohne Zweifel die islamische Welt mit Wissen erleuchtet, während Europa in den Kerkern der Unwissenheit und des Aberglaubens gefangen war. Eine interessante Studie wurde vom amerikanischen Wissenschaftshistoriker Charles Coulston Gillispie durchgeführt, der eine Liste von 132 Wissenschaftlern erstellt hat, die in den ersten sieben Jahrhunderten einen wissenschaftlichen Beitrag geleistet und den Grundstein für eine wissenschaftliche Revolution der Gegenwart gelegt haben. 105 (90 %) dieser Wissenschaftler stammten aus der islamischen Welt und nur 10 aus Europa. Die meisten von ihnen erhielten ihre Ausbildung an den Universitäten des muslimischen Spaniens (Cordova, Granada usw.).
Aber auch der Osten des islamischen Weltreichs war hochentwickelt. Bagdad war das Zentrum der wissenschaftlichen Welt. In der Mutanabbi-Straße gab es zum Beispiel mehr als 200 Buchhandlungen, in denen es einen breitgefächerten Bestand gab, vom Heiligen Koran bis zu Büchern über Astronomie, Medizin, Mathematik, Chemie usw. Viele Menschen hatten persönliche Bibliotheken. Es fanden auch immer wieder wissenschaftliche Treffen statt. Und im Lichte dieser neuen Entdeckungen konnten das Verständnis und die Exegese des Heiligen Korans verfeinert werden.
Aber was geschah vom 14. Jahrhundert bis zum heutigen Tag? Wie kam es dazu, dass die Sicht der Muslime gegenüber Wissen und Lernen sich dramatisch verändert hat? Diese Zeit wurde ein stummes Zeugnis dafür, dass die Muslime von der Wissenschaft abbrachen und in die Tiefen der Unwissenheit, des falschen Glaubens und des Polytheismus eintauchten, während Europa mit der muslimischen Fackel des Wissens beleuchtet wurde.
Zahlreiche Anzeichen belegen diese Entwicklung. Zum Beispiel ist in einer im 20. Jahrhundert angefertigten Liste der ersten 25 Länder, in denen die meisten wissenschaftlichen Zeitschriften und Journale veröffentlicht wurden, kein einziges islamisches Land aufgeführt. Ferner war 1996 der Anteil muslimischer Schriftsteller auf der ganzen Welt nicht einmal einer. Schließlich findet man kaum Werke berühmter islamischer Gelehrter wie al-Razi, Jabir ibn Hayyan und Al-Kindi weder in Bibliotheken moderner muslimischer Institutionen, noch in Buchhandlungen noch in einer persönlichen Bibliothek.
Abschließend bezieht sich Dr. Pervaiz auf einen weiteren berühmten Islamwissenschaftler Indiens, den verstorbenen Syed Abul Hasan Ali Hasani Nadwi, der beklagt, es sei einer der ironischsten und unglücklichsten Wendepunkte in der Geschichte, dass Muslime, die enorme Beiträge in der wissenschaftlichen Welt geleistet haben, ihre sorgfältigen Forschungen und wissenschaftlichen Arbeiten vergessen haben und Opfer der Nachahmung und traditionellen Denkweise geworden sind. Deshalb haben sie den Halt verloren und sind in den Bereichen Wissenschaft und Technologie weit hinter dem Westen zurückgeblieben.
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