6. Die Beschaffenheit des Evangeliums gemäß dem Koran.

Kommen wir zum Koran und dazu, was er uns an Informationen über das Evangelium bietet. Das Wort Evangelium wird hier zwölfmal erwähnt. Davon erscheint es sechsmal in Verbindung mit der Tora (3, 48), (3, 65), (5, 66), (5, 58), (5, 110) und (7, 157) und zweimal in Verbindung mit Tora und Koran (3, 3) und (9, 11). Das Evangelium ist laut Koran das Buch, das Allah Seinen Messias Jesus, Sohn der Maria, gelehrt hat. In (3, 48) lesen wir, dass der Engel während der Verkündigung Maria informierte: „Er [Allah] wird ihn [den Messias] die Schrift, die Weisheit, die Tora und das Evangelium lehren.“ Aber was ist darunter zu verstehen?

  1. Mit dem Wort „Die Schrift“ ist gemeint, dass der Messias des Schreibens und damit auch des Lesens kundig war.
  2. Mit dem Begriff „Weisheit“ ist „prophetische Weisheit“ gemeint, mit der alle Propheten ausgestattet sind. Das heißt, dass der Messias unter Allahs Oberhoheit und Leitung mit einer unfehlbaren Weisheit ausgestattet war. Und diese Weisheit umfasste die Fähigkeiten Zusammenhänge zu erkennen, Lösungen zu finden, Erklärungen zu geben…
  3. Allah hatte all Seinen Propheten aus dem Volke Israels, von Moses bis schließlich zum Messias, die Heilige Schrift der „Tora“ mündlich durch den Engel Gabriel nieder gesandt. Mit jedem Propheten wurde auch die Tora wieder erneuert. Daraus folgt, dass die Tora nicht durch das Evangelium ersetzt worden ist, sondern noch bis zur Offenbarung des Korans Gültigkeit hatte.
  4. Aber warum hat Allah – Lobgepriesen und Erhaben ist Er – Seinem Messias außer der Tora noch das „Evangelium“ als zusätzliche Schrift gelehrt? Wie die Tora wurde es durch den Heiligen Geist – das ist kein anderer als der Engel Gabriel – mündlich dem Messias nieder gesandt. Und die erste, die davon wusste, war Maria, als der Engel sie von dem zu erwartenden messianischen Amt ihres Sohnes informierte.

Außerordentlich interessant ist nun die Parallele zwischen dem Koran und dem 1. Petrusbrief. Der Hinweis, dass „das Evangelium vom Heiligen Geist vom Himmel gesandt“ wurde (1 Petr. 1, 12), findet im Koran seine Bestätigung. Der „Heilige Geist“ des nazarenisch geprägten Petrusbriefes und des Korans ist ein und derselbe. Es ist der Überbringer der göttlichen Botschaft zu seinen Propheten. Und dieser Botschafter war Engel Gabriel, der Heilige und vertrauenswürdige Geist. 

Damit war das Evangelium das Wort Gottes, das durch den Botschafter Gabriel mündlich dem Messias Jesus nieder gesandt worden ist. Aber was stand im Evangelium? Welche Botschaft wurde noch zusätzlich dem Volk Israels vermittelt? Warum war die Tora nicht mehr ausreichend? Sie ist ja anscheinend nicht durch das Evangelium ersetzt worden!

Nun, wir erinnern uns aus den drei ersten kanonischen Evangelien an den mehrfach wiederholten Ausdruck „das Evangelium von dem Reich (Gottes)“, der zweifellos auf nazarenischen Ursprung hinweist. Das griechische Wort für Reich ist „Basileia“, das auf ein irdisches Reich hinweist. Vor dem Hintergrund der Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Domitian wissen wir heute, dass Christen ihre Religion vergeistigten, um der Verfolgung zu entgehen. Denn die Römer sahen in den apokalyptischen Erwartungen der Juden und Christen einen Aufruf zum Aufstand. Das ursprüngliche „neue Jerusalem“ wurde in himmlisches Jerusalem und das ursprüngliche „Reich Gottes auf Erden“ in Himmelreich umbenannt. So führt uns der nazarenische Ursprung dieses Begriffs nahe an den Messias heran, der diese Worte in der Tat gesagt haben kann. Haben wir damit bewiesen, dass laut der biblischen Jesus-Biographien der Messias das Reich Gottes auf Erden verkündete und dass es effektiv Inhalt des Evangeliums war, das der Messias predigte, dann können wir die Antwort auf die Frage suchen, was mit diesem Reich gemeint sein kann.

Das griechische Wort „Basileios“ und die Domitianische Christenverfolgung sprechen ja schon für ein irdisches Reich. Und die Bibel selber? Im Evangelium nach Matthäus lesen wir: „Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und es auf seinen Acker säte“ (Math. 13,31) und die Erläuterung  dazu: „Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reiches…“ (Math. 13,38). Damit besteht kein Zweifel mehr, dass auch in dieser Perikope das sogenannte Himmelreich ein irdisches ist, das auf dem Acker der Welt gegründet ist und dessen gläubigen und frommen Einwohner sich vermehren. Und wenn es ein irdisches Reich ist, dann muss uns die Geschichte ja die Antwort liefern.

Kommen wir in unserer Analyse und Forschung nach dem Inhalt des Evangeliums zum Vers 157 der Sure 7. Dort lesen wir „Ich werde sie [meine Barmherzigkeit] für die bestimmen…die dem Gesandten, dem schriftunkundigen Propheten, folgen, den sie bei sich in der Tora und im Evangelium aufgeschrieben finden …“ (Koran, 7, 157). Schon die Tora beinhaltete die Prophezeiung über das Kommen des schriftunkundigen Propheten, und das Evangelium also auch. So kann die Prophezeiung sich noch nicht in dem Messias Jesus realisiert haben. Und das ist historisch exakt, denn der Messias hat Christen auf dieser Welt kein Reich als Erbe hinterlassen. Die Gründungen der irdischen Reiche im Namen des Christentums waren politische Entscheidungen lange nach dem Ausscheiden aus dieser Welt des Messias. Und nun erfahren wir, dass Allah Seine Verkündung in Seiner Neuen Schrift, dem Evangelium, fortgesetzt hat.

Sehr aufschlussreich und anschaulich ist deshalb folgender Vers: „Muhammad ist Allahs Gesandter. Und diejenigen, die mit ihm sind (seine Mitgläubigen), sind den Ungläubigen gegenüber hart, zueinander aber barmherzig. Du siehst sie sich verbeugen und niederwerfen, indem sie nach Huld von Allah und Wohlgefallen trachten…Und ihr Gleichnis im Evangelium ist das eines Getreidefeldes, das seine Triebe hervorbringt und dann stärker werden lässt, so dass sie verdicken und ebenmäßig auf ihren Halmen stehen, so dass es den Anbauern gefällt“ (Koran, 48, 29). Nirgends ist es deutlicher ausgedrückt, (1) dass Muhammad – möge Allahs Wohlwollen und Sein Frieden mit ihm sein – der erwartete Prophet ist, (2) dass die Standhaftigkeit seiner Mitgläubigen stark ausgeprägt ist und sich gut entwickelten Pflanzen, die auf einem Feld gedeihen, ähnelt, (3) dass diese Parabel wirklich im Evangelium gestanden hat, (4) dass wir in der Lage sind dieses Gleichnis, das auch in den synoptischen Evangelien zu finden ist, wieder ins richtige Licht zu rücken und (5) dass die These, dass alle drei Evangelisten von einer gemeinsamen Urquelle kopiert haben, bestätigt ist.

Was stand noch im Evangelium außer der Verkündung des zu Kommenden? Nun, es bestätigte die Historizität der Tora und der vergangenen Propheten und korrigiert die von Juden und Christen aufgestellte Behauptung, Abraham sei einer der ihren. „…Und Wir gaben ihm (Jesus) das Evangelium … das zu bestätigen, was von der Tora vor ihm (offenbart) war…“ (Koran, 4, 46). „O Leute der Schrift , warum streitet ihr über Ibrahim, wo doch die Tora und das Evangelium erst nach ihm (als Offenbarung) herabgesandt worden sind?“ (Koran, 3, 65).

Für eine Analyse zum Thema Evangelium ist Sure „der gedeckte Tisch“ unentbehrlich. „…Und Wir gaben ihm (Jesus) das Evangelium, in dem Rechtleitung und Licht sind … und als Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen. (46) Und so sollen die Leute des Evangeliums nach dem walten, was Allah darin herabgesandt hat (47)“ (Koran, 5, 46-47). Demzufolge war das Evangelium ein Licht und eine Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen. Das ist sehr interessant, denn diese Beschreibung deckt sich genau mit der Aussage aus dem Jakobusbrief, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist … wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke“ (Jak. 2, 20 und 26). Die Gottesfürchtigen aus der Gemeinde derer, die davon ausgingen das Evangelium zu befolgen, wurden ermahnt auch wirklich nach dem Evangelium zu leben, das heißt gut Dinge zu tun und schlechte zu meiden. So enthielt das Evangelium Gesetze die es zu befolgen galt – Gebote und Verbote – und Ermahnungen große Sünden zu unterlassen. Und diese Ermahnungen waren Wiederholung, nachdem sie ja schon in der Tora enthalten waren.

Also das Evangelium machte da keine Ausnahme in der Reihe der Heiligen Schriften. Es wies genauso gut auf frommes Verhalten hin, wie zuvor die Tora und danach der Koran. Warum sollte das Evangelium die Regelung der frommen Gesetze aussetzen und vom Menschen lediglich Glauben fordern? Deshalb kam Allah mit einer weiteren Aufforderung: „Sag: O Leute der Schrift, ihr fußt auf nichts, bis ihr die Tora und das Evangelium und das befolgt, was zu euch (als Offenbarung) von deinem Herrn herabgesandt worden ist“ (Koran, 5, 68). Auch dieser Vers ist äußerst interessant und wichtig. Denn die Leute der Schrift – das sind diejenigen Völker, die die Tora oder/und das Evangelium oder die Schriften, von denen sie meinen es sei die Tora oder das Evangelium, lesen und meinen daran zu glauben – haben erst eine solide Basis, wenn sie die Heiligen Schriften auch befolgen. Deshalb gilt für sie die Aufforderung: „Na dann befolgt doch, wenn ihr daran glaubt!“ Nämlich wenn sie das täten, müssten sie auch ein für sie folgenreiches Bekenntnis ablegen, nämlich sich dem im Evangelium erwähnten Befehl zu unterziehen und dem verheißenen Endzeitpropheten zu folgen.

Schließlich ist noch ein letzter Aspekt des aufrichtigen Glaubens zu erwähnen, nämlich der Lohn für all die Forderungen an die Gläubigen war Inhalt des Evangeliums. „Allah hat von den Gläubigen ihre eigene Person und ihren Besitz dafür erkauft, dass ihnen der Paradiesgarten gehört…(das ist) ein bindendes Versprechen in Wahrheit in der Tora, dem Evangelium und dem Quran“ (Koran, 9, 111). Wenn die Gläubigen die eigene Kraft, Zeit und Vermögen einsetzen, um den göttlichen Forderungen entgegenzukommen, dann ist der definitive Lohn das Paradies.