Seit einigen Jahren erkennen wir, dass in Europa die Feindseligkeiten gegen den Islam zunehmen. Anhänger islamophober Ideen machen sich mit Parolen wie „Islamisierung des Abendlandes“ bemerkbar. Diese und andere Slogans, die in populistischen und antimuslimischen Hassreden entstanden sind, verleiten zu Verwechslungen. Zugrunde gelegt wird diesen Ausdrücken Fehlverhalten einiger Muslime, was dann einige Europäer dazu veranlasst die Situation zu missinterpretieren. Das wiederum hat zur Folge, dass sich Menschen beunruhigt fühlen – zuweilen zu Recht – und schließlich den populistischen Hassreden zum Opfer fallen. Den Islam nach islamwidridem Verhalten einiger Anhänger zu beurteilen ist nicht nur falsch sondern auch unsinnig.
Es muss deshalb mit Nachdruck darauf verwiesen werden, dass eine Religion entweder nach ihren Prinzipien beurteilt werden muss, oder durch die Handlung derer, die diese Religion aufrecht in die Tat umsetzen. Und dieses Urteil muss auf Objektivität und Vernunft basieren.
Es muss ferner hervorgehoben werden, dass der aktuelle Zustand einer Gesellschaft immer seinen Ursprung in der Vergangenheit hat. Diese Erkenntnis führt uns dazu folgende Fragen zu stellen: Wann gelangte eigentlich der Islam nach West- und Mitteleuropa? Finden wir Spuren in dieser abendländischen Gesellschaft?
Also die Spurensuche nach dem Einzug des Islam in West- und Zentraleuropa führt uns in eine besondere Richtung. Spuren davon gibt es in der Tat, und diese befinden sich auch ganz in unserer Nähe: zum Beispiel in unseren Sprachen, damit meine ich Begriffe wie Algebra, Alkali, Benzin, Bor, Erde, Jacke, Kabel, Marzipan, Natron, Seife, Tarif, Tasse, Ziffer, Zucker und viele andere mehr. Diese Wörter, die arabischen Ursprungs sind, zeugen in der Tat von einer Einflussnahme. Und wie ist das zu erklären? Ganz einfach: ab dem elften Jahrhundert verbreitete sich über Andalusien und Sizilien islamisches Gedankengut nach Nordwest- und Zentraleuropa. Und mit der Sache kamen auch die Begriffe.
Aber beginnen wir damit einige Prinzipien des Islam zu veranschaulichen. Der Islam ist eine Religion, die geistiges und materielles Leben zu verbinden vermag. Er setzt sich neben ritualisierte Kulthandlungen auch für soziale Gerechtigkeit, Gleichheit vor dem Gesetz und vor allem für Gewissensfreiheit und Toleranz gegenüber Andersgläubigen ein. Er verwirft Rassen- und Klassenunterschiede[1]. Er unterstreicht die persönliche Verantwortlichkeit des Einzelnen und dass jeder Handlung stets eine Absicht zugrunde gelegt werden muss[2]. Schließlich verpflichtet der Islam den Muslim gewissenhaft, ehrlich und perfekt seine Arbeit zu verrichten, Verträge und Verabredungen einzuhalten, kurz er verlangt Aufrichtigkeit.
Im Allgemeinen beachteten die Muslime in der Frühgeschichte des Islam diese islamischen Grundsätze. Und das hatte zur Folge, dass im Reich des Islam Rechts- und Sozialstaaten gegründet und Wissen gefördert wurde. Die Aufforderung des Korans nach exakten Wissenschaften zu streben, zwischen Wissen und spekulativem Denken einen Unterschied zu machen, führte die arabischen Wissenschaftler dazu, die Arbeitsweise ihrer Vorgänger zu modernisieren und durch Empirik zu ersetzen.
Kommen wir also zum vorher angesprochenen Transfer islamischen Gedankengutes auf christlich abendländisches Gebiet und das ab dem zwölften Jahrhundert. Was geschah?
Mit der Eroberung Siziliens und Andalusiens im elften Jahrhundert fiel christlichen Eroberern theoretisches Wissen zu, das in arabischen Bibliotheken gesammelt war (Beispiel Toledo). Praktische Kenntnisse in Sachen Verwaltung des Staates (im muslimsichen Sizilien), Bewässerungstechniken und Energiegewinnung (Andalusien), aber auch im Handel (Italien) wurden übernommen.
Man kann sich vorstellen, wie zahlreiche abendländische Interessenten nach Andalusien und Sizilien strömten, Arabisch lernten und all das Wissen eifrig assimilierten und ins Lateinische übersetzten. Es handelte sich dabei nicht nur um Werke der altertümlichen Griechen, sondern auch um die unzähligen Werke der arabischen Mediziner, Mathematiker, Astronomen usw.[3] Besonders diejenigen europäischen Wissenschaftler, die im Schutze einiger Herrscher arbeiten konnten (z.B. unter Stauferkaiser Friederich II (1194-1250)), pflegten den Kontakt mit den Muslimen[4].
Und so strömte im Süd-Nord-Gefälle ein Fluss Wissen nach West- und Zentraleuropa. Erste Universitäten wurden gegründet, die Idee des Lehrstuhls wurde aus dem Arabischen übernommen, erste Medizinschulen eröffnet usw. Die Algebra und das Rechnen erreichte im vierzehnten Jahrhundert Norditalien und Süddeutschland und das arabische Stellenwertsystem zur Bildung von Zahlen aus zehn Ziffern wurde übernommen. Die Deutschen übernahmen sogar die komplette arabische Leseart der Zahlen, zuerst die Hunderter, dann die Einer, dann das „und“, und zum Schluss die Zehner.
Ab dem sechzehnten Jahrhundert hatte sich schließlich die Einflussnahme irreversibel auf die Mentalitätsbildung der Menschen im christlichen Europa erstreckt. Islamische Ideen bestimmten den Alltag der Menschen. Und erste berühmte Gelehrte traten mit eigenen Werken aus dem Schatten ihrer arabischen Vorgänger hervor. Andreas Vesalius und Michael Servetus pionnierten in der menschlichen Anatomie[5]. Die Mathematiker Descartes und Fermat knüpften an die Arbeiten des Omar al-Khajjam und des Ibn al-Haitham an. Und die Astronomen Nikolaus Copernikus (1473-1543) und Galileo Galilei (1564-1641) übernahmen arabisches Wissen und veröffentlichten ihre revolutionären Ideen wenn auch noch recht zögerlich.
Interessant ist auch der Einfluss islamischer Ideen auf die amerikanischen Staatengründer des achtzehnten Jahrhunderts[6]. Der islamische Beitrag ist vor allem für Toleranz und Religionsfreiheit bekannt, Prinzipien, die dann wiederum die Philosophen der Aufklärung beeinflussten.
Die Reaktion der Europäer auf diesen Einfluss war sehr eigenartig. Zunächst missbilligte ihn die mächtige mittelalterliche Kirche.[7] Herausragende europäische Gelehrte wurden verfolgt, denn sie widersprachen der katholischen Lehre mit Fakten aus den Naturwissenschaften. Auch hielt die Kirche an dem ausdrücklichen Bildungsverbot fest, das Paulus von Tarsus verhängt hatte: Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt für Torheit erklärt?[8] Aber was den katholischen Widerstand gegen alles Fortschrittliche verstärkte, war der Ursprung dieser Ideen. Sie kamen aus einer Umgebung, die die damalige Kirche für ihre Rivalin hielt, nämlich den Islam.
Deshalb wurden Muslime und der Islam im christlichen Europa dämonisiert. Personen wie Peter von Cluny (1092-1156) verbreiteten falsche Behauptungen über den Islam, und eine allgemeine Stimmungsmache gegen Muslime, die zu jener Zeit Sarazenen genannt wurden, war im Gange. Aus dem Gefühl der eigenen Unterlegenheit heraus und um die abendländische Bevölkerung im Zeitalter der Kreuzzüge bei der Stange zu halten, musste ein Feindbild gegen Islam und Muslime ersonnen werden. Das war die erste Islamophobie.
Ab dem sechzenten Jahrhundert, ab dem Moment also als das europäische Selbstwertgefühl gestiegen war, begann man in Europa den Muslimen den wesentlichen Beitrag zum Kulturgut der Menschheitsgeschichte abzuerkennen. Interessant ist, wie Professor William Montgomery Watt es ausdrückte: (ich zitiere:) „Weil Europa sich gegen den Islam wehrte, spielte es den Einfluss der Muslime herunter und übertrieb seine Abhänigkeit vom griechisch-römischen Erbe.“ (Zitat Ende).
Und genau diese Annahme, dass seit der europäischen Renaissance der einsetzende Drang nach Wissen, Fortschritt und Humanismus an das antike Griechentum und Römertum anschließe und dass diese Kultur eine rein europäische Angelegenheit sei, wird uns bis auf den heutigen Tag im Schulunterricht vermittelt. Der geschichtliche Aspekt der Einflussnahme des Islam auf das Abendland gelangt hingegen nur selten über akademische Kreise hinaus an die Öffentlichkeit.
Weit mehr, Politiker sprechen sogar von einer Christlich-abendländischen Leitkultur, die historisch belegt sei. Dabei lehrt die Historie ganz eindeutig, dass das Christentum die Verbreitung all der Werte, die heute die abendländische Kultur auszeichnen, immer wieder zu verhindern versuchte. Warum also diese Paradoxie? Warum das Schweigen über die wahre Rolle des Islam im Abendland?
Dazu fällt mir eine Ausstellung über das menschliche Herz ein, die vor einigen Jahren im Brüsseler Museum für Naturwissenschaften stattfand. Die Darsteller der Medizingeschichte zollten antiken Wissenschaftlern trotz ihrer spekulativen Vorgehensweise hohe Anerkennung, während sie die arabischen mediävalen Wissenschaftler nicht einmal erwähnten. Mit keinem Wort wurde der Arzt Ala-ud-Din Ibn an-Nafis erwähnt, der den Lungenblutkreislauf, die zwei Herzkammern und die Koronargefäße entdeckte und im Jahre 1285 Chefarzt im al-Mansuri Krankenhaus zu Kairo war. Man hatte am Ende der Ausstellung den Eindruck, als habe es tausend Jahre lang einen wissenschaftlichen Stillstand gegeben.
Dabei fällt auf, dass die abendländischen Werte doch im Wesentlichen den islamischen sehr ähnlich sind. Hier wie dort gibt es Toleranz; Glaubens- und Gewissensfreiheit; Gleichheit vor dem Gesetz; Sozialstaatlichkeit; Recht auf Leben, Freiheit und Besitz; und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde.
Seien wir einmal ehrlich. Im Vergleich zwischen den abendländischen und den islamischen Werten gibt es mehr Übereinstimmungen als Unterschiede. Obwohl Europäer lieber auf die Unterschiede hinweisen.
Man spricht zum Beispiel über den wesentlichen Unterschied, dass das islamische Recht nicht streng zwischen Religion und Staat trenne. In der Tat ist diese Trennung wichtig für die Europäer, die aus ihrer Vergangenheit gelernt haben und niemals mehr die Willkür eines katholischen Machtapparates mittelalterlichen Typs je wieder erleben wollen. Aber all das hat es im Islam nie gegeben und wird es auch nicht geben.
An dieser Stelle sei es angebracht nachdrücklich daraf zu verweisen, dass es manchmal gravierende Unterschiede gibt zwischen islamischen Prinzipien und einigen Praktiken in Ländern mit mehrheitlich muslimischen Einwohnern. Der Islam nimmt entschieden Abstand von jedem menschenrechtswidrigen Verhalten der Menschen dort. Der Islam sieht wiegesagt ein gemeinschaftliches Leben vor, das weder Willkür noch Inquisition noch Gewaltherrschaft kennt. Der Gedanke, dass die Religion frei von jedem Zwang sein muss, ist seit 14 Jahrhunderten fest im Koran verankert. Dass es in Europa Religions- und Gewissensfreiheit gibt, ist gerade einmal siebzig Jahre her.
Eine weitere Übereinstimmung gibt es in der Eigenverantwortung des Einzelnen für sein Tun und in der Rechtsprechung nach dem Prinzip der Anklage und Verteidigung. Der Interessent am Islamischen Recht ist fasziniert, wenn er auf Sätze stößt wie: …dass keine Seele die Last einer anderen tragen soll…[9] und …wenn ihr zwischen den Menschen richtet, richtet in Gerechtigkeit…[10] und …Die Erbringung des Beweises obliegt dem Kläger, und der Eid obliegt dem sich Verteidigenden.“ In europäischen Gerichtssälen funktioniert die Rechtsprechung nach ähnlichen Prinzipien. Ganz sicher aber nicht nach dem Prinzip des christlichen Sühnetodes. Kreuze an den Wänden europäischer Gerichtssäle sind daher äußerst irreführend.
Mittlerweile sind auch Muslime dem Islam nach Europa gefolgt. Sie kamen unbefangen und wurden im Nachkriegseuropa mit offenen Armen empfangen. Und was sie vorfanden, war ein Terrain, das ihnen erlaubte sich im Sinne des Islam zu entfalten. Aber anstatt heute die fünfzig Jahre Harmonie und Einvernehmen zu kommemorieren, hat sich in den letzten Jahren ein Unwohlsein auf beiden Seiten verbreitet, unter Muslimen und Nicht Muslimen. Wie ist das zu erklären?
Wie wir wissen hat der Wandel der letzten Jahre auf dieser Welt zu vielen sozialen und wirtschaftlichen Nöten, zu Gewalt und zu Flucht geführt. Diese Probleme sind auch an Muslimen nicht spurlos vorbei gegangen. Im Abendland haben mehr denn je Muslime den Anschluss in die Gesellschaft verpasst, entweder aus eigenem Versagen oder weil ihnen Integration erschwert worden ist. Denken wir an Musliminnen, die wegen ihres Kopftuches nicht den Weg ins Arbeitsleben finden können.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch gerade in Familien mit Migrationshintergrund und unter Zugewanderten verhältnismäßig hohe Durchfallraten, Kriminalität und Gefängnisinsassen. Die Schlagzeilen sind ebenfalls angefüllt mit Nachrichten oder Problemen aus der muslimischen Welt. Alles in Allem ist das Image der Muslime geschädigt, aber andererseits verwechseln Abendländer auch häufig zu Urecht das Muslim-Sein mit dem Islam.
Und zu den schon lastenden Schwierigkeiten kommen die aktuellen Probleme der Asylsuchenden noch hinzu. Auch davon ist ein hoher Anteil Muslime. Ja, es gibt viele, die ehrlich um Schutz suchen und die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben. Aber es gibt auch solche, die das Gastland auszunutzen, andere, die ungesittetes und unhöfliches Benehmen zu Tage legen oder ein hohes Gewaltpotential mitbringen. All das ist in den Augen vieler Europäer doch zu viel. Sie reagieren entsetzt. Das Fehlverhalten einiger Muslime gibt nicht selten Nichtmuslimen den Anlass, den Islam dafür verantwortlich zu machen.
Die Sache ist, dass Unwissenheit überhand genommen hat. Zahlreiche Muslime sind in Sache Islam ganz und gar ungeschult und leben überhaupt nicht das Leben, das der Islam ihnen vorgibt.
Da ist die muslimische Studentin die unter ihrem Kopftuch bei einer Klausur mogelt, obwohl der Islam lehrt: Wer mogelt gehört nicht zu uns.
Da ist die muslimische Mutter, die ihren Sohn im Geschäft zum Stehlen veranlasst, obwohl der Islam sehr strenge Maßnahmen gegen Diebstahl vorsieht.
Da ist der muslimische Wagenhändler, der frohlockt, weil ihm gelungen ist, den Kilometerzähler seines Autos zu manipulieren, obwohl der Islam Unehrlichkeit in die Kategorie des Heuchelns setzt.
Da ist mein eigener sechundachtzig jähriger Vater, der auf seinem Privatgrundstück von einem Zugezogenen aus einem muslimischen Land zuerst angespeit und dann zu Boden geworfen wurde. In einem dritten Fall wurde er von einer weiteren dunkelhäutigen Person belästigt, so dass er sich humpelnd ins Haus retten musste. Das obwohl auch er das sechstausend-Seelen-Dorf in den Nachkriegsjahren mitaufgebaut und mitfinanziert hat, indem Zugezogene jetzt eine neue Heimat gefunden haben. Und das obwohl der Islam den Muslim verpflichtet sanft mit Christen umzugehen, da Christen den Muslimen am nächsten stehen.
Und schließlich ist da der Terrorist, der sich in die Luft jagt, obwohl der Islam Selbstmördern die Hölle androht.
Aber auch auf Seiten der Abendländer herrscht Unkenntniss, wenn sie vermischen und verallgemeinern. Sie meinen im Islam jeden Grund des Übels gefunden zu haben, übertragen dann wiederum die falsche Meinung auf Muslime generell und folgen vor allem der Rhetorik einiger Populisten. Und da sich Geschichte wiederholt, so ist auch die Islamophobie wiedergeboren.
Kommen wir zum Schluss auf die Ergebnisse des oben dargelegten geschichtichen Überblicks. Erstens sei darauf aufmerksam gemacht, dass es eine lange Epoche in der Weltgeschichte gegeben hat, von der wir leider nur selten etwas hören, die für uns Europäer jedoch von höchster Wichtigkeit ist. Das sind die zirka Tausend Jahre muslimischer Hochkultur, ohne die wir heute nicht dieses moderne Leben kennen würden. Diesen Teil der Geschichte zu berücksichtigen würde europäische Nichtmuslime dahin führen, ein besseres Verhältnis zum Islam zu haben. Wer weiß, dass islamische Grundsätze schon seit mehreren Jahrhunderten in Europa verwurzelt und Teile unseres Lebens geworden sind, hat auch keine Angst vor dem Islam. So kann den Populisten der Wind aus den Segeln genommen werden.
Zweitens muss Geschichte lebhaft gestaltet werden, ob im Unterricht, während einer Ausstellung oder im TV-Dokumentarfilm. Geschichte hilft Schlüsse für unser heutiges Leben zu ziehen. Geschichtskenntnisse helfen auch andere Kulturen zu erforschen und unsere eigene besser zu verstehen. Wenn wir bedenken, dass wir uns nicht ausgesucht haben, in gerade dieses fortschrittliche Europa dieser Zeit hineingeboren zu werden, dann werden wir vielleicht demütiger und bescheidener.
Wissen ist Macht. Deshalb ist es wichtig für jeden Muslim und Nichtmuslim auch über den Islam zu lernen. Nur wer Wissen hat, schenkt Andersdenkenden Achtung und sieht unbegründete Aussagen mit kritischem Auge. Dann ist auch der Nährboden der Islamfeindlichkeit genommmen.
Es ist also an der Zeit den Rahmen des Pessimismus zu sprengen. Hasspredigen darf es nicht geben, weder in Moscheen noch auf Demonstrationen noch auf Karrikaturen. Es muss im Gegenteil an die Wertesysteme erinnert werden, die sowohl die muslimische als auch die abendländische Weltanschauungen prägen. Kehren wir ab von der Befangenheit, von der Voreingenommenheit und Kurzsichtigkeit. Populisten müssen auch beim Namen genannt werden, sie haben faschistische Züge. Nationalismus und Andersgläubige als Sündenböcke abzustempeln ist eindeutig faschistisches Gedankengut. Diese Phänomene haben in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu zwei Weltkriegen und zu Grausamkeiten geführt. Ist es da nicht an der Zeit, die Gefahren, wieder in eine neue Spiale der Gewalt hineinzurutschen, zu beseitigen. Und das geht am besten durch Erziehung und Aufklärung.
Und schließlich sei auf eine sehr interessante Prognose hingewiesen. Es handelt sich um Worte, die vor vierzehn Jahrhunderten der Prophet des Islam ausgesprochen hat. Er beschrieb die seinerzeit zukünftig lebenden Europäer – das heißt uns in der heutigen Zeit – und gab ihnen sehr positive Eigenschaften.
- „Sie sind Leute, die schwere Prüfungen standhalten.
- Sie reorganisieren sich nach einer Katastrophe unverzüglich (und finden schnellstens wieder zu einem geordneten Leben zurück.)
- Sie behandeln die Bedürftigen, die Waisen und Schwachen auf gütigste Weise.
- Und eine fünfte sehr schöne Eigenschaft ist, dass sie vor der Willkürherrschaft der Könige in Sicherheit sind.“ [11]
Derartig zutreffend und viel versprechend sind die Worte über unsere abendländische Kultur der heutigen Zeit. Dies ist die Anschauung des Islam.
[1] Beispiele dafür sind die erste Verfassung von Medina aus dem Jahre 620, der Vertrag des Omar ibn al-Khattab aus dem Jahre 634 mit den Einwohnern Jerusalems, die pluralistische Gesellschaft des islamischen Andalusiens im zehnten Jahrhundert usw.
[2] Solche Faktoren müssen speziell in der Suche nach Recht und Unrecht berücksichtigt werden. Das wiederum räumt das Recht zur Verteidigung ein. Das Recht ist auch nicht auf jeden Fall mit dem Stärkeren. Schwachen, Bedürftigen, Minderheiten, Kriegsgefangenen, ja sogar Tieren werden Rechte gewährt.
[3] (ar-Razi, ibn Sina, al-Khawarismi, ibn al-Haitham, Az-Zahrawi, Ibn Ruschd oder ibn an-Nafis um nur einige zu nennen).
[4] (z.B. Leonardo von Pisa (1170-1240))
[5] Michael Servetus wurde übrigens für seine Ideen verfolgt und noch im Jahre 1553 in Genf von Calvinisten lebendigen Leibes verbrannt.
[6] Hinweise auf ihre Inspiration an Ideen und Prinzipien unterschiedlicher Kulturen, darunter der isalmischen, sind in den Gebäuden des Obersten Gerichtshofes zu Washington und in der Congress-Bibliothek des Thomas Jefferson Gebäudes verewigt.
[7] Nun, am Beispiel des Gelehrten Roger Bacon, der die Lehre des Ibn al-Haitham aus Optik und Mathematik weiterführen und Lupen und Brillen herstellen wollte, zeigt sich, dass die Kirche Fortschritt missbilligte. Sie verfolgte Bacon und andere Gelehrte, die in ihren Augen „gefährliche Lehren“ verbreiteten.
[8] 1 Korinther, 3, 19
[9] Der Heilige Koran, 53,38
[10] Der Heilige Koran, 4,58
[11] Hadîth aus der Hadîthsammlungen des MUSLIM